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Kurz nach dem Start in Delhi, erfahre ich wie sich die Leute in den Slums ohne Toiletten behelfen. Tausende sitzen mit einer Flasche Wasser auf den Wiesen links und rechts neben den
Gleisen und verhelfen der Natur zu ihrem Recht. Ich weiss jetzt auch ganz genau, warum die linke Hand unrein ist, da hilft auch das Wasser in den Flaschen nicht viel. Ajmer besuche ich in erster Linie als
Ausgangspunkt für einen Abstecher nach Pushkar. Ich steige im Heritage Haveli Inn ab, mache einen Orientierungsspaziergang und kaufe am Bahnhof ein Ticket für die Weiterfahrt nach Udaipur in zwei Tagen. Wie ich am
Abend noch den Dargarh, das Grabmal eines bedeutenden Sufi, besichtigen will, komme ich zu einem Hindu-Umzug anlässlich irgendeines Feiertages. Das Ganze erinnert an unsere Karnevals-Umzüge. Auf geschmückten LKWs
werden Szenen aus dem Ramayana-Zyklus der Hindus dargestellt und zwischen den LKWs veranstalten Tanz- und Musikgruppen ein Höllenspektakel. Ich komme fast nicht durch die Menschenmassen, die in den engen Gassen dem
Umzug zuschauen. Die geplante Besichtigung fällt flach und wird auf den nächsten Tag verschoben. Am nächsten Morgen geht es um 10 Uhr mit dem Linienbus nach Pushkar. Nach ca. 30 Minuten Fahrt sind wir schon da.
Pushkar ist einer der heiligsten Orte der Hindus. Alles dreht sich um den heiligen See im Zentrum. Die Uferlinie ist vollständig mit Ghats, Schreinen, Altären und Tempeln gepflastert. Ghats sind die Treppen an
heiligen Gewässern, auf denen die Hindus ihre religiösen Waschungen und Rituale vollziehen. Bis auf einen öffentlichen Ghat, zu dem auch ich gehe, ist der ganze Uferbereich "privat" und darf nur auf
Einladung der jeweiligen Inhaber (Sekten, Orden, wohlhabende Kaufleute, diverse Maharadscha-Familien und Tempel-Priester) betreten werden. Leider haben die "Spät-Hippies" schon seit längerem diesen Ort für
sich entdeckt. Dementsprechend ist der ganze Ort mit Guesthouses und Souvenirshops zugepflastert und voll von "coolen", verfilzten Dreadlock-Frisuren. Das spirituelle Flair, dass von diesem Ort ausgehen
soll, kann ich nur erahnen. Zurück in Ajmer besichtige ich noch die Sehenswürdigkeiten (Nasijan-Tempel, Zweieinhalb-Tage-Moschee, den Dargarh). Um 1:10 Uhr in der Nacht breche ich zum Bahnhof auf. Mein Zug nach
Udaipur geht um 1:37 Uhr. Am Bahnsteig lerne ich Denis aus Neuseeland kennen. Rentner, ehemals IT-Consultant, hat wie ich vor 4 Tagen angefangen Indien zu erleben. Seine erste Back-Packer-Tour, der noch der Rest der
Welt folgen soll. Er ist gut vorbereitet und weiss, was ihn erwartet: "I was told, if you have been traveling in India, you can also travel over all the world. So this will be my endurance test." Bis zur
Rente wollte ich mit dem Back-Packing nicht warten, wer weiss ob ich dann überhaupt noch so etwas unternehmen kann? Der klapperige und abgewrackte Zug kommt mit einer Stunde Verspätung. Die Nachtfahrt wird zur
Tortur für mich. Trotz grosser Liegefläche macht mir das ständige, extreme Stossen und Rütteln des Zuges zu schaffen.
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